Von einem neuerdings zu vernehmenden denunziatorischen TonAls Selbstbezeichnung und in Presseberichten lässt sich die Kombination von Wut und Bürger seit 2007 nachweisen. 1 Zur kurranten Münze wurde der "Wutbürger" mit dem Spiegel-Essay von Dirk Kurbjuweit aus dem Herbst 2010. 2 Freilich macht es einen Unterschied ums Ganze, ob eine rechtspopulistische Wählervereinigung sich als "Bürger in Wut" bezeichnet oder ob ein, nach eigener Aussage, "Qualitätsmagazin" den "Wutbürger" als Phänotyp des Demonstrierenden dieser Tage in Umlauf bringt. In jenem Essay wird behauptet, der "Wutbürger" bestimme "das Gesicht der Gesellschaft … und den Geist der Zeit". Er entspringe dem Schoß einer "skeptischen Mitte, die bewahren will, was sie hat und kennt, zu Lasten einer guten Zukunft des Landes". Zukunftsvergessen, gemeinwohlignorant und egoistisch treibe "die nackte Wut" "gutgekleidete Grauköpfe" -"in fanatischer Gegnerschaft" -an die Bauzäune von Großprojekten wie Stuttgart 21, um diese zu verhindern. Damit "alles so bleibt, wie es war." Die besonderen Kennzeichen des "Wutbürgers" (nach Art der patriarchalischen Sprachroutinen werden Frauen, die sich in auffälliger Erregung am öffentlichen Protest beteiligen, mitgemeint): Egoismus, Hedonismus, Veränderungsangst, Fanatismus und, das Erscheinungsbild prägend, ein gesetztes Alter. Der Begriff hat, wie zu erwarten, Kritik und Gegenbegriffe provoziert. Freilich hat er semantische Eintagsfliegen, wie "Gutbürger" und "Mutbürger", 3 problemlos überlebt (wegen deren beträchtlichen Peinlichkeitsfaktors: zu Recht.) Allerdings löste er im Feuilleton und in den Sozialwissenschaften eine lebhafte Kontroverse aus. 4 Zudem wurde er von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum "Wort des Jahres 2010" 5 geadelt und in den Duden-Online 6 aufgenommen. Eine bemerkenswerte Karriere also. Sie dürfte nicht zuletzt der medialen Platzierung (im Spiegel), dem Überraschungseffekt (Wütende gesetzten Alters oder die Stuttgart 21-Sarrazin-Connection), der pseudo-wissenschaftlichen Argu-I.