Die Erforschung der andinen Vorgeschichte nimmt in der Geschichte des nationalen Selbstbildes Perus eine Schlüsselrolle ein, denn das materielle Kulturerbe (patrimonio arqueológico), das die nationale Archäologie als Tätigkeitsfeld für sich beansprucht, rückt zunehmend ins Blickfeld diverser Interessengruppen, nicht nur in Peru, sondern auch -mit eigener Farbgebung -in anderen Ländern Lateinamerikas. Lokale Bauerngemeinden, Politiker auf kommunaler und regionaler Ebene, die katholische Kirche, Lehrer und diverse ngos sind -oder möchten -oftmals stakeholder des Kulturerbes sein, und einzelne Gruppen oder Allianzen erheben auf unterschiedlichen Ebenen Ansprüche auf Authentizität und Legitimität. Ethnische und nationalistische Ansprüche auf die Vergangenheit sind auch in Europa durchaus bekannt, doch während sie dort als historisch weitgehend überwunden (Härke 2002) oder als mehr oder minder plumpe Strategien zur Konstruktion von Nation (Dietler 1994) betrachtet werden, ist ihre Mobilisierung in lateinamerikanischen Ländern mit bedeutenden indigenen Minderheiten -wie Mexiko, Guatemala, Bolivien, Ecuador oder Peru -mitunter brisant (Flores Ochoa 2004;Mamani 1996; Patterson 1996).Letztlich ist "Kulturerbe" jedoch lediglich das fortwährende Ergebnis institutioneller Prozesse. In Peru zielen diese allerdings zunehmend auf die Verdinglichung materieller Aspekte der Vergangenheit im Rahmen der entwicklungspolitischen Umstände. Das anhaltende Wachstum und die staatliche Förderung der Tourismusindustrie sowie der Boom der rettungsarchäologischen Interventionen im Zuge des Berg-und Straßenbaus haben in den letzten zwei Jahrzehnten zu Verquickungen geführt, die das traditionelle Selbstverständnis der Archäologie als wissenschaftlicher Garant der (Vor)geschichte in Frage gestellt haben. Die Rolle der Vorgeschichtsforschung im nationalen Selbstbild Perus soll deshalb hier im Rahmen der sich wandelnden, oftmals gegensätzlichen Wertschätzungen der materiellen Hinterlassenschaften der indigenen Vergangenheit im Andenraum verstanden werden.