ZusammenfassungStuhlkontinenz ist nach WHO-Definition die erlernte Fähigkeit, Stuhlgang willentlich ortund zeitgerecht abzusetzen (1). Zum Erwerb dieser sozialen Kompetenz muss das Kind den Konflikt zwischen Autonomie und Konformität lösen. Der lustvolle Umgang mit den Ausscheidungen wird dem Ekelregime unterworfen. Misslingt dieser Entwicklungsschritt, ist die gesellschaftliche Teilhabe gefährdet. Das Ringen um Sauberkeitsprinzipien stellt die pädagogischen Fähigkeiten der Eltern auf die Probe. Die von Eltern bei der eigenen Reinlichkeitserziehung erlebten Emotionen werden in Familien mit stuhlinkontinenten Kindern reaktiviert. Subklinische psychische Symptome bis hin zu manifesten psychischen Störungen finden sich bei stuhlinkontinenten Kindern und deren Familienangehörigen deutlich häufiger als in der Normalbevölke-rung. Sie können sowohl Ursache und aufrechterhaltender Faktor als auch Folge der kindlichen Symptomatik und der damit verbundenen familiären Interaktionsproblematik sein. Sekundäre Stuhlinkontinenz kann durch Belastungssituationen ausgelöst werden. Invasive Diagnostik und rigide Behandlungsschemata können traumatisieren und dysfunktionales Verhalten chronifizieren.