Jutta Röser / Corinna Peil Der Beitrag zeichnet aus der Domestizierungsperspektive nach, wie sich das Internet in Deutschland zwischen 1997 und 2007 von einem berufsbezogenen Elitemedium zu ei-nem Alltagsmedium gewandelt und für große Teile der Bevölkerung geöffnet hat. Mit Blick auf den häuslichen Kontext wird die Bedeutung alltäglicher, zu Hause stattfinden-der Aneignungsprozesse für die Diffusion neuer Medientechnologien herausgestellt. Ge-fragt wird, wodurch Teilhabe am neuen Medium Internet befördert und behindert wur-de, wobei die Geschlechterkonstellationen besonders berücksichtigt werden. Die Analyse stützt sich sowohl auf quantitative als auch auf qualitative Daten: Die Sekundäranalyse repräsentativer, zum Teil bislang unveröffentlichter Daten aus den ARD/ZDF-Online-studien wird durch ethnografisch orientierte Haushaltsstudien mit 25 heterosexuellen Paaren verschiedener Bildungs-und Altersgruppen ergänzt. So zeigt der Beitrag auf der Mikroebene, was mit Blick auf die gewandelte Onlinerstruktur auch auf der Makroebene deutlich wird: Konträr zu Digital Divide-Befürchtungen hat sich das Internet innerhalb eines Jahrzehnts über soziale Grenzen hinweg geöffnet. Der häusliche Alltag erfüllt dabei die ambivalente Rolle, einerseits Teilhabe zu fördern, andererseits ein Feld darzustellen, auf dem Ungleichheiten reproduziert werden. Einleitung Der Beitrag zielt darauf, die Verbreitung des neuen Mediums Internet in Deutschland über ein Jahrzehnt zu rekonstruieren und dabei ein besonderes Augenmerk auf seinen Einzug in die häusliche Sphäre zu legen. Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass die massenhafte Verbreitung des Internets seit 1997 einen entscheidenden Schub durch die private, häusliche Nutzung bekommen hat. 2003 wurde im Rahmen der ARD/ZDF-Onlinestudie erstmals ausdrücklich und mit Überraschung registriert, dass Bevölke-rungsgruppen und Haushalte, die bis dahin als wenig internetaffin eingeschätzt worden waren, massenhaft online gingen (vgl. van Eimeren u. a. 2003). Nur wenig analytische Aufmerksamkeit erfuhr seitdem, dass die Neulinge mehrheitlich über einen häuslichen Netzzugang zum Medium fanden. Der häusliche Kontext stellt aber ein zentrales Moment dar, um die Verbreitung und Aneignung des Internets aus der Sicht der Nutzer-innen und Nutzer zu verstehen: 90 Prozent aller Onliner nutzten 2007 das Internet in den heimischen vier Wänden, mehr als 50 Prozent nutzten es ausschließlich dort (siehe Kap. 4). Theoretisch schärft der in den britischen Cultural Media Studies entwickelte Do-mestizierungsansatz den Blick für die Relevanz des häuslichen Kontextes (vgl. im Über-blick: Röser 2007a). Ursprünglich erarbeitet, um die üblicherweise in den heimischen vier Wänden verankerte Nutzung des Fernsehens im Kontext weiterer, damals neuer Medientechnologien besser zu verstehen, bietet er, wie wir zeigen werden, zugleich einen analytischen Rahmen zum tieferen Verständnis der Internetdiffusion als Prozess. Ins-besondere möchten wir aus der Domestizierungsperspektive den Blick auf die wach-1.