Zusammenfassung: Der Euro übernimmt weitaus mehr als die Geldfunktionen der D-Mark. Mit seinem Erscheinen tritt der zukünftige europäische Bundesstaat in Form von Münzen und Scheinen -zum ersten Mal ganz real -in den Alltag des Bürgers ein. Die Europäische Union war bisher nur eine ferne Bürokratie, für die Bürger und Medien meist nur Kritik übrig hatten. Dagegen wird in Zukunft bei jeder Zahlung der Euro dem Bürger buchstäblich vor Augen führen, dass er in Europa lebt -und nicht mehr in einem der schrittweise zurücktretenden Nationalstaaten. Die neue Präsenz Europas im öffentlichen Bewusstsein wird jedoch durch unangenehme Themen ergänzt werden. Eine einheitliche Währung erzeugt eine ökonomische Integration, in der schwächere Regionen Verluste erleiden. Zur monetären Vergemeinschaftung wird sich deshalb eine Vergemeinschaftung der Ansprüche hinzugesellen: Benachteiligte Länder werden sozialpolitische Umverteilungen auf europäischer Ebene verlangen. Kritiker der Währungsunion haben deshalb immer wieder die Befürchtung ausgesprochen, dass der Euro die Europäer nicht einigen, sondern auseinander dividieren werde. Das Gegenteil wird der Fall sein: Der Euro wird sich als der effizienteste Beschleuniger europäischer Institutionen erweisen. Der Sinn der Euro-Einführung besteht daher nicht nur in der Vereinheitlichung von Geldfunktionen, sondern in der Ausweitung der europäischen Staatsbürgerschaft. Der Euro wird die öffentliche Aufmerksamkeit schrittweise nach Brüssel, der Hauptstadt Europas, umlenken.