Siever, Holger (2010): Übersetzen und Interpretation. Die Herausbildung der Übersetzungswissenschaft als eigenständige Disziplin im deutschen Sprachraum von 1960 bis 2000, Leipziger Studien zur angewandten Linguistik und Translatologie (Nr. 8), Peter Lang, 382 S., ISBN: 978-3-631-60222-5, Euro 69,80 Sievers Arbeit hat eine doppelte Zielsetzung: 1. einen Überblick über die Entwicklung der modernen Übersetzungswissen-schaft zu geben, 2. ein neues übersetzungswissenschaftliches Paradigma anzubieten, das der heutigen gesellschaftlichen Entwicklung angemessen ist, indem er sich auf die aus den untersuchten übersetzerischen Paradigmen herauskristallisierte Quintessenz stützt. Die Stärken dieser Arbeit im ersten Punkt liegen in der Übersichtlichkeit, die die neue Form der Kategorisierung der übersetzungswissenschaftlichen Ansätze in Paradigmen in das Wirrwarr von theoretischen Ansätzen bringt, das die konstituierende Phase der übersetzungswissenschaftlichen Theoriebildung charakterisiert hat. Im zweiten Punkt liegt sein Verdienst darin, auf die neuen durch die gesellschaftliche Entwicklung bedingten Herausforderungen für den Übersetzer aufmerksam zu machen und die seinerzeit weitsichtige Forderung Jakobsons (1959) nach einer Eingliederung der übersetzungswissenschaftlichen Theoriebildung in den größeren Rahmen der Semiotik wieder aufzugreifen.Die Korrelation mit der Theoriebildung in benachbarten Wissenschaften einerseits und die paradigmatischen Gemeinsamkeiten der verschiedenen überset-zungstheoretischen Ansätze andererseits gestatten Siever, folgende Paradigmen zu unterscheiden: 1) das linguistische Paradigma (46-87), zu dem die Leipziger Schule, Albrecht, Koller, Reiß mit ihrem texttypologischen Ansatz, und Wilss mit seiner Vorstellung von Übersetzungsfertigkeit, zählen; 2) das verstehenstheoretische Paradigma (88-145), zu dem die hermeneutischen Ansätze mit Schleiermacher, Güttinger und Friedrich, Klöpfer, Apel, Paepcke, Stolze und die dekonstruktivistischen Ansätze (Benjamin und Derrida) gehören; 3) das handlungstheoretische Paradigma (146-234), in dem allen voran Reiß und Vermeer genannt werden und das dann unterteilt wird in a) eine "Gründungsphase des Funktionalismus", zu der Hönig/Kußmaul, Holz-Mänttäri und Nord gehören, b) eine Phase kognitionstheoretischer Erweiterung -hier werden Snell-Hornby (Stratifikationsmodell), KupschLosereit (kognitive Verstehensprozesse), Hönig