Editorial 1 Seit geraumer Zeit erfährt das Thema Elternschaft auf gesellschaftlicher Ebene zunehmende Beachtung. Neben einer schier unüberschaubaren Ratgeberliteratur zu Familie und Erziehung lassen sich beinahe täglich Debatten um Reproduktionsziffern, Elterngeld und -zeit oder um die Frage des gesellschaftlichen Werts von Kindern verfolgen. Dieser Diskurs bleibt sicherlich nicht ohne Einfluss auf den individuellen Umgang mit der eigenen (potenziellen) Elternschaft. Kinder zu haben, so die Botschaft an Frauen und Männer, ist eine überaus verantwortungsvolle Aufgabe, die mit hohen Anforderungen an die eigenen Fähigkeiten und Ressourcen für eine optimal ablaufende Elternschaft verknüpft ist. Menschen, die zeitweilig oder dauerhaft von einer psychischen Erkrankung betroffen sind, stehen aber darüber hinaus aufgrund spezifischer reproduktiver Risiken vor besonderen Herausforderungen. Diese Risiken treten bereits beim Umgang mit einem Kinderwunsch hervor. So bergen einige Psychopharmaka teratogene Risiken für den Embryo. Problematisch ist dabei, dass Schädigungen bereits in einer sehr frühen Phase der embryonalen Entwicklung erfolgen könnenin einer Phase also, in der die Frauen häufig noch gar nicht wissen, dass sie schwanger sind. Erschwerend kommt hinzu, dass hier eine z. T. eingeschränkte Befundlage besteht [1, 2]. Das letztlich immer verbleibende Restrisiko bei Weiterführung, Wechsel oder Abbruch der medikamentösen Therapie istselbst nach eingehender Beratung durch behandelnde Ärztevon den betroffenen Frauen selbst zu tragen. Weitere, damit verbundene Risiken betreffen den Krankheitsverlauf der betroffenen Frau: Gerade das abrupte Absetzen eines Medikaments kann ein beträchtliches Rezidivrisiko mit sich bringen. Aber auch im Hinblick auf den weiteren Schwangerschaftsverlauf bestehen Risiken, denn nur ein kleiner Teil der psychiatrisch vorbelasteten Frauen erfährt durch ihre Schwangerschaft eine Stabilisierung ihres psychischen Gesundheitszustan-des. Tatsächlich ist die Annahme eines generell protektiven Effekts einer Schwangerschaft als ein weitverbreiteter "Mythos" einzuordnen [3]. Auch die Zeit des Wochenbetts geht mit einem erheblichen Rückfallrisiko einher [1]. Schließlich kommen im weiteren Verlauf Risiken für die Entwicklung der Kinder hinzu. Langzeitstudien haben belegt, dass Kinder psychisch kranker Eltern ein erhöhtes Risiko haben, psychopathologische Auffälligkeiten im kognitiven, emotionalen und sozialen Bereich zu entwickeln bzw. selbst an einer psychischen Störung zu erkranken [4, 5]. Das erhöhte Risiko für die Kinder geht neben genetischen auch auf Umweltfaktoren zurück, insbesondere in Form einer reduzierten mütterlichen Empathie und Reaktion auf kindliche Signale im Frühkindalter sowie eines unangemessenen Erziehungsstils in späteren Entwicklungsphasen [6]. Schon dieser nur kurz skizzierte Hintergrund macht deutlich, dass Elternschaft für Menschen mit einer psychischen Erkrankung ein kontinuierliches Abwägen zwischen der Berücksichtigung eigener, krankheitsrelevanter Bedürfnisse und den (prospekti...